Arbeitstitel: Wer landet als erster im Knast?
Es ist der 10.06.2025. Ich habe seit längerer Zeit mal wieder die Tagesschau angeschaut. Das Gute vorweg: Der Sommer kommt ab morgen zurück. Da lächelt Susanne Daubner zum ersten Mal an diesem Abend.
Themen:
Zu allen Themen habe ich eine klare Meinung, ohne eine Lösung zu haben. Es beschäftigt mich und daher schreibe ich die Gedanken mal auf.
Ich nehme diese Meldungen bei einem Glas Rotwein nach einem guten Abendessen in meinem Eigenheim mit Pool zur Kenntnis und mache mir so meine Gedanken. Ich bin privilegiert und mir dessen bewusst. Durch meine Eltern liebevoll, aber nicht helikopterhaft behütet und gefördert, hatte ich die Chance, mein Leben selbst und positiv zu gestalten. Nicht unerheblichen Anteil daran hatte meine schulische Ausbildung am Pius-Gymnasium in Aachen und dann das Glück, mit Freunden und meiner Ehefrau Michaela eigentlich stets auf der Sonnenseite des Lebens zu surfen. Es geht sicherlich nicht jedem in unserem Land so gut wie mir und es gibt viele Ungerechtigkeiten und Missstände. Aber sind immer die anderen schuld? Immer „die da oben“?
Wie sieht Deutschland und Europa in fünf bis zehn Jahren aus? Wo werde ich da stehen? Werde ich meinen Lebensherbst in Frieden und Gesundheit verbringen und weiterhin zwischen meinen Hobbys Motorradfahren und Fliegen hin und her-switchen oder komme ich ins Gefängnis?
Ich bin mit meinen offenen, ehrlichen und meist provokanten Posts geradezu prädestiniert dafür, als einer der Ersten in Haft oder gar in einem Konzentrationslager zu landen, wenn die Demokratie in Deutschland gefallen ist. Übertreibe ich?
Gerade waren wir in Wien - eine beeindruckende und pulsierende und natürlich geschichtsträchtige Metropole, die erst zögerlich ihre Nazi-Vergangenheit aufarbeitet. Bei einer Stadtführung bekamen wir die Gegensätze an aktuellen Beispielen verdeutlicht. Österreich ist gerade mal knapp an einem rechtsextremen Bundeskanzler vorbeigeschrammt und Geschichte hätte sich auch dort wiederholen können. Die Wiener haben 1933 Hitler & Co geradezu mit offenen Armen empfangen und ihr Soll zur Denunziation und Judenverfolgung eher übererfüllt. Es existierten beim Einmarsch der Nazis wohl bereits umfangreiche Listen von potenziellen Staatsfeinden, die null-komma-nichts eingesperrt und deportiert wurden.
Und natürlich hat die Generation meiner Eltern hier in Deutschland erhebliche Schuld auf sich geladen. Aus Erzählungen meines Vaters weiß ich, dass er - wie viele - anfangs Hitler auch zugejubelt hat, als er Besserung versprochen hatte. Auch wenn meine Eltern sich wohl persönlich nicht zu Handlagern gemacht haben, waren sie sicher auch keine Widerständler. Man hat sich arrangiert und Kritik nur sehr dosiert und hinter vorgehaltener Hand geäußert. Wie mutig war es da von den echten Widerstandskämpfern, die ihre Haltung und Meinung verteidigt und letztlich meist mit dem Tod bezahlt haben.
Da ist ein offenes Posting in den sozialen Medien im Vergleich ein lächerliches Mittel und dazu noch: sehr sicher, zumindest in Deutschland. Wäre ich, wenn ich 1933 gelebt hätte, auch so offen mit meiner Meinung umgegangen und hätte mein Leben riskiert? Wahrscheinlich nicht.
Hier in Deutschland geht heutzutage i.d.R. niemand ins Gefängnis, wenn er seine Meinung frei äußert. Jeder hat das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln und gegen was auch immer zu demonstrieren. Wie zerbrechlich dieses Grundrecht ist, haben wir in Corona-Zeiten gesehen. Da wurden viele Grundrechte mit rechtlich, fachlich und moralisch fragwürdigen Begründungen erheblich eingeschränkt.
Und damit komme ich wieder auf das zurück, was gerade in den USA passiert. Zuerst hat sich dieser Donald Trump trotz rechtmäßiger Verurteilungen und zahlreicher anhängiger Rechtsverfahren mit einer Menge Geld wieder an die Macht befördert und nun erleben wir fast täglich, wie dieser Autokrat noch ein Schippe drauflegt, Unwahrheiten und Blödsinn verbreitet und Grundprinzipien des friedlichen Zusammenlebens und Partnerschaften auf den Kopf stellt.
Wer nun in die USA reisen möchte, sollte seine Facebook-Timeline auf kritische Postings prüfen, denn ansonsten droht an der Grenze die Zurückweisung oder sogar wochenlange Haft. Kein Scherz! Das gilt übrigens für eine Reihe von weiteren Schurkenstaaten, die durchaus auf der Liste beliebter Urlaubsländer ganz oben stehen.
Gerade in Hinblick auf das jüngste Zerwürfnis zwischen Trump und Musk ist die ZDF-Reportage „Trump und das Silicon Valley – Staatsstreich der Tech-Milliardäre" brandaktuell und gleichermaßen schon wieder von der Realität überholt. (Link: https://www.zdf.de/video/dokus/zdfzeit-106/trump-und-das-silicon-valley-100)
Von der Freiheit, für die die USA mal standen, ist nicht mehr viel übrig. Das ist das, was passiert, wenn man Autokraten und Demokratiefeinde an die Macht kommen lässt. Zuerst fällt die Wahrheit, dann das Demonstrationsrecht, die Rechtsstaatlichkeit und dann die Meinungsfreiheit. Zum Schluss ist es auch mit der Freiheit an sich vorbei.
Wir sind also in Deutschland mit unserer historischen Verantwortung nicht allein. So etwas kann in Deutschland nicht passieren? Dann sollten wir verhindern, dass die AFD jemals an die Macht kommt. Die AFD bespielt ähnliche Themen wie Trump und nutzt die gleichen Werkzeuge: Fremdenfeindlichkeit, Homophobie, Falschinformation bis hin zur Lüge und schürt latent existierende Ängste, bis sie irgendwann hochkochen.
Auch wenn die eingangs zitierten Meldungen wie ein Amoklauf an einer Schule (diesmal wohl nicht von einem Migranten) Unsicherheit erzeugen und bei dem einen oder anderen ein Gefühl von Angst erzeugen: Wir leben hier in Europa weitestgehend sicher und in Freiheit. Wir genießen die Freizügigkeit und werden an dieses hohe Gut dadurch erinnert, dass derzeit verstärkte Grenzkontrollen den Reiseverkehr einbremsen. Das ist gut (um illegale Migration und Kriminelle herauszufiltern) und blöd, wenn man unschuldig im Stau steht. Die EU ist ebenfalls ein hohes Gut und hat uns viele Vorteile gebracht. Auch dieses Konstrukt ist nicht perfekt und braucht Reformen. Und natürlich ist mit der neuen Bundesregierung auch nicht alles gut. Die Tatsache, dass sie bisher wenig Stoff für gute Witze und Satire gebracht hat, zeigt aber eher, dass sie vielleicht erst einmal gar keinen so schlechten Job macht. Mal abwarten. Eine rechte Regierung hätte auch ein Massaker wie in Graz nicht verhindert.
Die AFD hat dennoch immer noch hohe Beliebtheitswerte. Warum? Wegen ihres Profils? Wegen ihres Programms? Wegen der sympathischen und kompetenten Köpfe? Weil sie es besser machen würde?
Ich bin versucht zu sagen: Lass sie mal mitregieren, damit man sie an ihren Taten bewerten kann, aber das ist schon eine gefährliche Sache. Stabile Regierungen mit den Rechten sind das nicht, wie das europäische Ausland zeigt und man öffnet schon irgendwie die Büchse der Pandora. Wenn die AFD allein regieren kann, dann wird es kritisch. Wenn sie sogar eine Zwei-Drittel-Mehrheit bekommen würde, ist die Demokratie und das Leben, wie wir es kennen, am Ende. Dann wird solch ein Posting, wie dieses hier, nicht mehr ungestraft möglich sein.
Und dann müssten wir uns fragen: Wie konnte es so weit kommen, dass wir unserer Freiheit und unsere Demokratie verlieren konnten? Vielleicht so, wie sich unsere Eltern und Großeltern nach 1945 gefragt haben: Wie konnten wir das zulassen?
Ich hoffe, dass ich noch lange offen und ohne Angst meine Meinung sagen und mit Euch diskutieren kann, denn eigentlich ist es in Deutschland doch ganz okay, oder? Dazu gehört, eine andere Meinung zu ertragen und ggf. hinzunehmen, auch wenn einem die eigene Meinung besser gefällt. Und Ihr so?